Grundlagen

1: Vielfalt urbaner Fabriken und Notwendigkeit zu individuellen Planung

Die aktuellen Tendenzen der Stadtentwicklung, konkret in Bezug auf Industriestandorte im urbanen Kontext, lassen sich pauschal nicht abbilden. Die Vielfalt der unterschiedlichen Standorte in Deutschland ist groß. Betrachtet man eine einzelne Stadt, so sind bereits im Umkreis weniger Kilometer unterschiedlichste Typen von Fabrik- und Industriestandorten identifizierbar, die jeweils z.T. vollkommen unterschiedliche Aktivitäten zur Vernetzung mit ihrem urbanen Umfeld umsetzen könnten und auch sollten. Die Fabriksysteme lassen sich z.B. unterscheiden in

  • aktive Fabriken unterschiedlichster Branchen,
  • aktive Fabriken mit reger Um-/ Ausbau-/ Rückbautätigkeit,
  • inaktive Fabriken mit nutzbarem Gebäudebestand,
  • brachliegende Standorte (ohne Gebäudebestand, im Verfall etc.) oder
  • bereits hochgradig vernetzte Fabriken (z.B. in Hochschulnähe etc.) identifizieren.
Abb.: Vielfalt einzelner Fabriken in urbanen Räumen (in Anlehnung an Abb. 1.2-2 ©UrbanFactory-I)

Diese Notwendigkeit zur gleichzeitigen Gestaltung der Transformationsprozesse stellt die verschiedenen Schlüsselakteure wie z.B. Mitarbeitende in Stadtplanungsämtern, Unternehmen, Wirtschaftsförderung, Ver-/Entsorgungsunternehmen, Kommunalpolitik etc. vor die Herausforderung, bei der Entwicklung vernetzter Produktionsstätten keine festgelegten Standards anwenden zu können.

Das Forschungsnetzwerk „Urban Factory Network“ setzt an dieser Stelle an und erforscht konkrete Strategien, die diese Gleichzeitigkeit und Komplexität erfassen und darauf aufbauend anwendungsfreundliche, flexible und verstärkt praxisbezogene Methoden für den Transformationsprozess urbaner Fabriken liefern.


2: Beherrschung der Komplexität der Fabrik-Stadt-Systeme durch Zerlegung in sechs Systemebenen

Urbane Fabriken sind Teil hochgradig komplexer Systeme in unseren Städten und es ist kaum möglich alle Aspekte des Gesamtsystems vollumfänglich zu erfassen und auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten. Um eine erste Beherrschbarkeit der Komplexität zu erreichen hat sich das Forschungskonsortium bereits im Rahmen der Studien „Urban Factory – Entwicklung ressourceneffizienter Fabriken in der Stadt“ im Jahre 2015 entschlossen, das Gesamtsystem in sechs Systemebenen zu zerlegen. Der Werkszaun grenzt in diesem Zusammenhang drei werkinterne Ebnen (Arbeitsplatz I Gebäudestruktur I Standort) von den werkexternen Ebenen (Quartier I Stadt I Globaler Kontext) ab. Die Systemebene „Quartier“ nimmt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle ein, da die räumliche Nähe zwischen Nachbarschaft und Produktionsstätte die Umsetzung einer Vielzahl konkreter „Maßnahmen der Urbanen Fabrik“ erlaubt (vgl. UrbanFactory – Abschlussbericht Teil 1, Kap. 3.2ff).

Abb.: Betrachtungsebenen von Fabrik & Stadt (S.63 in Anlehnung an Abb. 3.2-2 ©UrbanFactory-I-IKE)

Die für die Untersuchung der Unternehmen im urbanen Raum definierten Systemebenen ermöglichen einen systematischen Einstieg in die Erfassung relevanter Themenfelder und stärken die Möglichkeiten des Austausches der Akteurinnen und Akteure.


3. Ressourcen der Urbanen Fabrik

Die Untersuchung der Ressourcen der urbanen Fabrik und der Stadt sind grundlegend für die Betrachtung der vielfältigen materiellen und immateriellen Wechselwirkungen zwischen Stadt und Fabrik (vgl. 4. Austauschbeziehungen). Eine urbane Fabrik kann dabei im funktionalen und räumlichen Zusammenhang mit der umgebenden Stadt und mit der Historie des Standortes verstanden werden. Im Rahmen des Forschungsprojekts Urban Factory-I werden acht Schlüsselressourcen als zentrale Handlungsfelder betrachtet. Diese dienen als übergeordnete, verbindende Ebene, in der alle gegenseititigen Wirkungen der Systeme Stadt und Fabrik aufeinander abgebildet werden können. Sie bilden als Ordnungsrahmen die Basis für ein darauf aufbauendes strukturiertes und ganzheitliches Analysevorgehen. Das Wissen um diese Ressourcen ermöglichen damit die Identifizierung von disziplinübergreifenden Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz im Stadt-Fabrik-System.

Abb. UF-Ressourcen (vgl. Juraschek M, Kreuz F, Bucherer M, Sonntag, et al. Die Ressourcen der urbanen Fabrik (tu-braunschweig.de)

Eingeschlossen in den Betrachtungsrahmen der acht Ressourcen der urbanen Fabrik sind die Handlungsrahmen Zeit und Kapital. Jede der acht interdisziplinär identifizierten Ressourcen steht in einem Bezug zu diesen.

Betrachtet man nun die Interaktion, also die Wechselbeziehung zwischen Stadt und Fabrik vor dem Hintergrund der Ressourceneffizienz – dem Ziel des Forschungsprojekts – muss vor allem die Interaktion, die aufeinander bezogene Handlung zweier Seiten, über und mit Ressourcen untersucht werden. Gemäß der durch Homans (1961) nachgewiesenen Austauschtheorie muss die ressourcenorientierte Interaktion von Fabrik und Stadt – so die Hypothese – eine Austauschbeziehung sein.


4. Austauschbeziehungen beeinflussen die Fabrik-Stadt-Systeme

Das Ziel des Forschungsprojekts Urban Factory-I war es, einen urbanen Standort von bestehenden Fabriken langfristig zu erhalten und in dem Sinne zu fördern, dass mit Hilfe der Steigerung der Ressourceneffizienz von Stadt und Fabrik die Integration von Fabriken im urbanen Raum gestärkt, ihre Akzeptanz gesteigert und ein Beitrag zur Energiewende geleistet werden kann. Um dieses mit Hilfe von geeigneten Maßnahmen und Aktionen umsetzen zu können, wurde ein theoretischer Ansatz formuliert, der das Verhältnis von Stadt und Fabrik beschreibt und auf dem die Strategie und der konzeptionelle Ansatz aufbauen. Der Begriff „Austauschbeziehung“ wurde umfangreich wissenschaftlich untersucht und beschreibt den Prozess das Austausches über Mittel, hier Ressourcen, über die die Fabrik oder Stadt verfügen oder woran sie einen Bedarf haben. Folgende Synthese wurde erarbeitet:

„Verfügt eine Partei, hier Fabrik oder umgebendes Quartier, über ein Angebot von Ressourcen, für die beim anderen Partner ein Bedarf besteht oder mit dessen Hilfe das Vorhandensein einer anderen Ressource gesteigert werden kann, ist eine Austauschbeziehung möglich. Wird durch diese Austauschbeziehung auf beiden Seiten ein Gewinn erzielt, erhält sich die Beziehung. Wir nennen eine Gruppe vielfältiger Austauschbeziehungen zwischen einer Fabrik und der sie umgebenden Stadt, dem Quartier, Fabrik-Stadt-System.“


5: Verständnis für Arbeitsweisen der Akteurinnen & Akteure stärkt Kommunikation

Erfassung einer Vielzahl von Aspekten auf unterschiedlichen Systemebenen: Keine/r der mit der Transformation der Fabriken bzw. urbanen Räume betrauten Akteurinnen bzw. Akteure betrachtet in ihrer/ seiner Arbeit alle benannten sechs Systemebenen (siehe Abbildung 3.2-3), vielmehr treten disziplinspezifische Schwerpunkte zu Tage, aus deren gemeinsamen, interdisziplinären Abgleich unter anderem Fragestellungen und Tätigkeitfelder erwachsen. Das Verständnis für die jeweiligen Schwerpunkte stärkt die Kommunikation in großen, komplexen Teams. Die folgende Graphik verdeutlich den Bezug ausgewählter Disziplinen zu den sechs vorgestellten Systemebenen.

Abb.: Zuordnung der Disziplinen zu den Betrachtungsebenen – S.64 in Anlehnung an Abb. 3.2-3 (©Urban Factory-I)

Annäherung an den Planungsgegenstand „Urbane Fabrik“ aus unterschiedlichen Betrachtungsrichtungen. Die Erfassung der Elemente auf den z.B. bauspezifischen Systemebenen einer urbanen Fabrik erfolgt sowohl von „außen nach innen“ als auch von „innen nach außen“. Die Untersuchung läuft in sich wiederholenden Schleifen einer immer detaillierter werdenden Suche und Dokumentation bzw. Visualisierung ab. Über die Identifikation standortrelevanter Aspekte wie z.B. Infrastruktur, Erschießung, Grundstück etc. wandert der Blick der Fachplaner weiter ins Innere der Gebäudestrukturen. Zwar erfolgt eine detaillierte Auseinandersetzung mit produktionsrelevanten Themen (Organisationsstruktur, Produktionsprozesse etc.) allerdings werden diese Informationen vornehmlich hinsichtlich ihrer Gebäuderelevanz gefiltert und in eine konkrete Planung bzw. Verbesserung der Bauwerke überführt. Ab der dritten Systemebene rückt die vernetzte Betrachtung von Bauwerk und Gebäudetechnik in den Fokus der Arbeit der Spezialisten. (Sonntag 2011; Riecks 2016; Adam et al. 2004)“

Abb.: Schematische Darstellung der Betrachtungsrichtungen (in Anlehnung an Abb. 3.1-1 ©Urban Factory-I)

Im Zuge der Untersuchungen wird erkennbar, dass die notwendige Erfassung von einer Vielzahl von Aspekten von individuellen aber auch fachspezifischen Arbeitsweisen der Akteurinnen und Akteure abhängig ist. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wird die zunächst fachspezifische Potential-/ IST-Analyse der einzelnen Disziplinen als zielführend für die Initiierung der Transformationsprozesse von Fabrik-Stadt-Systemen empfohlen.


6: Werkzeug zur spezifischen Potential-/ IST-Analyse

Im Sinne der angestrebten Vernetzung von Produktionsstätte und urbanem Umfeld nutzen die einzelnen Forschungsdisziplinen sehr unterschiedliche Werkzeuge zur Potentialanalyse und Identifikation bzw. Absicherung der Umsetzungsfähigkeit von möglichen die Werkgrenzen überwindenden Maßnahmen. Dies ist den sehr unterschiedlichen Kenntnissen, Methoden bzw. Interessen der Akteurinnen und Akteure der Disziplinen geschuldet und ergibt in der gemeinsamen interdisziplinären Gesamtschau dann ein sehr weit fortgeschrittenes Bild eines Fabriksystems im urbanen Raum.

Abb.: Darstellung der disziplin-spezifische Potential-/ IST-Analyse (in Anlehnung an Abb. 6.1-1 ©Urban Factory-I)

Diese Vorgehensweise kann am Beispiel der Disziplin Industriebau verdeutlicht werden. Für die Untersuchung der räumlich-funktionalen Beziehungen der Gebäudestrukturen nach innen zu Produktions- und Arbeitsplatzanforderungen sowie nach außen zwischen Bauwerken, Standort und Quartier ein (vgl. Betrachtungsebene/-richtungen) wird eine systematische Standort- und Bauwerksanalyse inkl. der baugeschichtlichen Rahmenbedingungen im Sinne der Potentialanalyse vorgenommen. Mit den Ergebnissen dieser Analyse können z.B. die für umsetzbar befundene UF-Maßnahmen auf ihre Umsetzungsfähigkeit überprüft werden als auch laufend im Transformationsprozess neue umsetzbare Maßnahmen identifiziert werden. Ein Einsatz des bauspezifischen Werkzeuges kann somit sowohl zu Planungsbeginn als auch innerhalb der Phase der Umsetzung von Maßnahmen eingesetzt werden. Das Werkzeug wurde auf Basis der „Systemebenen-Systematik“ mittels einer detaillierten Untersuchung und Zusammenführung von Aspekten z.B. der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), div. Arbeitsstättenrichtlinien oder Daten des Baukosteninformationszentrums Deutscher Architektenkammern bereits im Vorgängerprojekt entwickelt und genutzt. Diese folgende Tabelle verdeutlichtet erste Inhalte entlang der definierten Untersuchungsfelder mit Bezug zum Gebäudesystem bzw. städtebaulichen Umgebungen.

Abb.: bauspezifisches Werkzeug zur Potential- bzw. IST-Analyse von Urbanen Fabriken (©IKE)

Nach erfolgter Grobanalyse entlang der definiteren Untersuchungsfelder werden immer detailliertere Informationen über die regelmäßige Suche nach Informationen zusammen getragen und im Transformationsprozess der urbanen Fabriken genutzt (vgl. Anhang Abschlussbericht Urban Factory-I).


7: Potential-/ IST-Analyse als Werkzeug im Transformationsprozess

Die Potential-/ IST-Analyse der jeweiligen Disziplin kann die angestrebte Initiierung der Transformation von urbanen Fabriken in unterschiedlichen Planungsphasen unterstützen. 

Sie kann ihre Wirkung besonders gut entfalten, wenn

  • innerhalb der Phase der Initiierung ein umfangreicher Abgleich der Ziele für Unternehmen, den urbanen Raum etc. vorgenommen wurde,
  • (initiale) Schlüsselakteure im Gesamtsystem der Urbanen Fabrik identifiziert und diese miteinander kommunizieren und
  • diese Schlüsselakteure sich auf gemeinsame Vorgehensweise im Sinne der Transformation einigen können.

Die Einsatzfähigkeit der Potential-/IST-Analyse wurde in verschiedenen Modellprojekten bereits seit 2015 in der Praxis getestet. Folgende Varianten haben sich als erfolgreich erwiesen:

Variante I – zu Planungsbeginn noch keine konkreten UF-Potentiale identifiziert

… (Text/ Graphiken folgen in Kürze)

Variante II – Absicherung der Umsetzungsfähigkeit von gewählten UF-Maßnahmen im Planungsverlauf

… (Text/ Graphiken folgen in Kürze)


Alle Beiträge/Graphiken sind den Publikationen des Vorgängerprojektes entnommen:

Bucherer M et al. (2019): Urban Factory – Entwicklung ressourceneffizienter Fabriken in der Stadt – Abschlussbericht Teil 1: Theoretische Grundlagen & Hypothesen. Braunschweig: Universitaetsbibliothek Braunschweig. DOI: 10.24355/dbbs.084-201909121223-0

Juraschek M et al. (2018): Die Ressourcen der urbanen Fabrik. Definitionen und Erläuterungen aus dem Forschungsprojekt Urban Factory. Braunschweig. DOI: 10.24355/dbbs.084-201812131337-0